50 Jahre Psychiatrie Enquete Oktober 2025

Psychiatrie-Enquête

Die Psychiatrie-Enquête von 1975 war ein Meilenstein in der Reform der psychiatrischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland. Sie wurde vom „Enquete-Ausschuss für die Lage der Psychiatrie in der Bundesrepublik“ im Bundestag erarbeitet und beschrieb gravierende Missstände in der Versorgung psychisch erkrankter Menschen: Überfüllte Anstalten, schlechte hygienische Zustände, unzureichende therapeutische Angebote, soziale Ausgrenzung und ein Mangel an ambulanten Hilfen.

Kernaussagen der Psychiatrie-Enquête:

  • Abkehr von der „Anstaltspsychiatrie“ hin zu einer gemeindenahen, dezentralisierten Versorgung.
  • Aufbau von psychiatrischen Abteilungen in Allgemeinkrankenhäusern anstelle großer psychiatrischer Kliniken in Randlagen.
  • Stärkung ambulanter und komplementärer Angebote wie Tageskliniken, sozialpsychiatrische Dienste, Wohngruppen und betreute Arbeitsmöglichkeiten.
  • Bessere Integration von Psychiatrie, Sozialarbeit, Gemeinde und Angehörigen.

Ziel:

  • mehr Lebensqualität
  • Selbstbestimmung
  • gesellschaftliche Teilhabe für Betroffene.

Gießen als Modellregion

Die Stadt und Region Gießen spielten bei der Umsetzung der Enquête-Empfehlungen eine besonders wichtige Rolle. Hier entstand eines der bekanntesten Modellprojekte der Psychiatriereform:

  • Sozialpsychiatrischer Dienst Gießen (ab Ende 1970er-Jahre): Eine der ersten kommunal getragenen Einrichtungen, die ambulante Hilfen für Menschen mit psychischen Erkrankungen bereitstellte.
  • Gemeindepsychiatrische Verbünde: Kooperation von Kliniken, niedergelassenen Ärzten, Beratungsstellen, Wohngruppen und Selbsthilfe-Initiativen.
  • Tageskliniken und betreutes Wohnen in Gießen: Umsetzung der Forderung nach kleineren, lebensnahen Angeboten anstelle großer Anstalten.

Gießen gilt als Vorzeigeregion für die Verknüpfung von klinischer Versorgung (z. B. Universitätsklinikum) mit gemeindepsychiatrischen Strukturen.

In wissenschaftlicher Hinsicht wurde Gießen – auch durch die Nähe zur Justus-Liebig-Universität – ein Ort, an dem die Umsetzung der Enquête evaluiert und weiterentwickelt wurde.

 

Bedeutung für heute

  • Gießen steht beispielhaft für die erfolgreiche Umsetzung der Psychiatrie-Enquête, indem es moderne, wohnortnahe Versorgungsstrukturen geschaffen hat.
  • Viele der damals entwickelten Konzepte (Sozialpsychiatrischer Dienst, betreutes Wohnen, Gemeindepsychiatrie) sind heute bundesweit Standard.
  • Bis heute gilt Gießen als Modellregion, in der die Psychiatrie-Reform nicht nur theoretisch beschlossen, sondern praktisch erprobt und nachhaltig verankert wurde.

Die Psychiatrie-Enquête von 1975 markiert den Beginn der modernen Gemeindepsychiatrie – Gießen war ein zentraler Motor dieser Reform.

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